Wer kennt ihn nicht, den U-Bahnhof Rosenthaler Platz? An der Grenze zwischen Mitte und Prenzlauer Berg liegt er umgeben von Party-Hostels, hippen Cafés, glutenfreien Restaurants und ist gleichzeitig die Heimat der legendären U-Bahnlinie U8, welche den Norden Berlins mit dem Süden verbindet. Der U-Bahnhof liegt unterirdisch und wer ihn betritt, dem stechen in der Regel sofort die knallorangenen Fliesen in die Augen, die den ganzen Bahnhof zieren.
Doch die farbenfrohen Fliesen lassen nicht nur die Herzen von Keramik-Liebhabern höherschlagen, auch ein Geigerzähler (vielleicht vertraut aus dem Physikunterricht?) tickt hier ganz schnell. Denn die Kacheln strahlen dank einer Versiegelung mit Uranglasur ein bisschen mehr als nur Charme aus: Sie sind leicht radioaktiv.
Radioaktiv?! Ist das nicht gefährlich?
Aber keine Panik, die ionisierende Strahlung liegt im harmlosen Bereich von 0,2 bis 1,5 μSv/h (Mikrosievert die Stunde). Nur an wenigen Stellen, wo die Fliesen besonders stark glänzen, können es auch mal bis zu 12 μSv/h sein, was ebenfalls unbedenklich ist. Zum Vergleich, wenn du eine Banane isst, dann konsumierst du etwa eine Radioaktive-Dosis von 0,1 μSv, denn die kurvige, gelbe Frucht ist wegen ihrem hohen Kalium-Anteil und dem damit verbundenen Isotop Kalium-40 tatsächlich auch ganz leicht radioaktiv. Und wenn du diese Banane nach einem Flug von Frankfurt nach New York isst, dann kannst du nochmal 64 μSv obendrauf rechnen, denn im Flieger bist du der sogenannten Höhenstrahlung ausgesetzt. Aber auch diese sind alles unbedenkliche Mengen an Strahlung!
Außerdem reicht, laut dem Bundesamt für Strahlenschutz, normale Alltagskleidung als Schutz für das Strahlungsniveau der Kacheln aus. Denn Uran ist ein radioaktives Schwermetall, dessen Alpha-Strahlung nur einige wenige Zentimeter weit in die Luft reicht. Gefährlich wird es erst, wenn das Uran eingeatmet oder gar verschluckt wird oder in offene Wunden gelangt. Also egal, wie appetitlich die Fliesen aussehen, bitte nicht anbeißen!
Warum wurden die Fliesen mit Uran glasiert?
Du fragst dich jetzt vielleicht, warum überhaupt radioaktives Uran als Glasur verwendet wurde? Dafür müssen wir eine kleine Zeitreise (hey, so heißt ja diese Rubrik!) in das Jahr 1930 machen. Denn vor fast 100 Jahren wurde der U-Bahnhof, wie so einige anderen U-Bahnhöfe auch, vom berühmten Architekten Alfred Grenander entworfen und gebaut. Damals war die Uranglasur eine günstige und beliebte Glasur, die besonders hitzebeständig und somit ideal für einen U-Bahnhof geeignet ist. Und schick sieht sie außerdem noch aus. Besonders wenn man ein UV-Licht auf die Glasur leuchtet, denn dann strahlt die Glasur in einem luminösen grünblau auf – sie fluoresziert.
Hinzukommt, dass man zu dieser Zeit auch schlichtweg noch nichts von den Gefahren der Radioaktivität ahnte, weshalb auch Geschirr, Vasen oder Porzellan-Figuren mit dieser schicken Glasur, bzw. aus Uranglas, hergestellt wurden. Doch anders als bei den Fliesen im Rosenthaler Platz, können diese durchaus gefährlich sein, vor allem wenn sich Uranverbindungen durch mechanischen Abrieb oder säurehaltige Lebensmittel lösen und konsumiert werden. Deswegen, ich wiederhole: DIE FLIESEN BITTE NICHT ABSCHLECKEN ODER ESSEN!
Fazit
Die knallbunten Kacheln im U-Bahnhof Rosenthaler Platz strahlen wortwörtlich mit der Sonne um die Wette – dank ihrer Uranglasur. Doch keine Sorgen, die Strahlung ist unbedenklich: eine Stunde nackt neben ihnen entspricht den Konsum von etwa zwei Bananen.