Im dritten Artikel des Deutschen Grundgesetzes steht: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Der erste Satz steht schon seit 1949, der zweite folgte 41 Jahre später nach der Wiedervereinigung, 1990.
Anders in der DDR. Dort stand im Artikel 7 der DDR-Verfassung bereits 1949 „Mann und Frau sind gleichberechtigt. Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, sind aufgehoben.“ Somit waren Frauen am Arbeitsplatz in der DDR von Anfang an gleichberechtigt. In der Bundesrepublik trat ein Gesetz über die Gleichbehandlung der Frau am Arbeitsplatz jedoch erst am 25. Juni 1980 in Kraft. Was das für unsere Mitarbeiterinnen der damaligen Westberliner BVG und Ostberliner BVB bedeutete, schauen wir uns jetzt genauer an.
1953: Straßenbahnfahrerinnen überwinden Grenzen – und werden zurückgewiesen.
Im Westen Berlins fährt erst seit 1995 wieder eine Straßenbahn, davor lagen die Gleise fast 40 Jahre still. Doch was hat das mit der Gleichberechtigung von Frauen zu tun? So einiges! Ganz Berlin verfügte nämlich bis in die frühen 1950er über ein umfangreiches Straßenbahnnetz. Die Verwaltungen in Ost- und West-Berlin nutzten bis 1953 dieses gemeinsame Netz. Die ostdeutsche Verwaltung setzte seit 1950 unter anderem auch Straßenbahnfahrerinnen ein – und diese fuhren somit auch auf den Westberliner Strecken. Ein Skandal! Denn im Westen durften Frauen den Beruf Straßenbahnfahrerin nicht ausüben, die von Frauen geführten Trams waren dort verboten. Dies führte zu einer Eskalation des ohnehin schon sehr angespannten Verhältnisses zwischen Ost und West.
Als Konsequenz wurden Straßenbahnen mit Frauen am Steuer von Verkehrsmeistern gestoppt und wieder zurückgeschickt. Als Ost-Berlin dennoch weiterhin Straßenbahnfahrerinnen fahren ließ, wurde der Verkehr an der Sektorengrenze von beiden Seiten unterbrochen. Dies bedeutete, dass Fahrgäste an der Grenze aussteigen, samt Kind und Kegel über die Grenze laufen und wieder in die nächste Straßenbahn einsteigen mussten. Nervig, aber immerhin der Fahrschein musste nicht gewechselt werden.
Bald gab es aber im Westen auch keine männlichen Straßenbahnfahrer mehr, die 37 Straßenbahn-Linien mit über 420 Kilometer Länge wurden bis 1967 nach und nach stillgelegt. Die Frauenfrage war wohl ein Katalysator für die Trennung der Straßenbahn zwischen Ost und West, aber letztendlich sah die westliche BVG-Direktion so oder so keine Zukunft auf Tramschienen und investierte ab 1954 lieber in U-Bahn und Bus.


Zu schwach für die Schaltgetriebe? Unsere ersten Busfahrerinnen bewiesen das Gegenteil!
Straßenbahn- und Oberleitungsbus-Fahrerinnen gab es in Ostberlin bei der BVB schon eine ganze Weile, ehe die ersten Frauen hinter dem Lenkrad eines (Diesel) Busses sitzen durften, dauerte es aber noch. Vor etwas mehr als 50 Jahren, Anfang der 1970er, absolvierten die ersten angehenden Busfahrerinnen die Busfahrschule der BVB. Die Voraussetzungen waren alles andere als leicht. Denn in Zeiten von Schaltgetriebe und fehlender Servolenkung war das Busfahren ohne Oberleitung mit deutlich mehr körperlichem Aufwand verbunden als heute. Dennoch stellten sich mutige Frauen diesen schweren Anforderungen und schon bald waren die ersten Busfahrerinnen auf den Straßen Ostberlins unterwegs.
Frauenpower in Westberlin – eine Sensation.
Die 70er brachten nicht nur für die Mitarbeiterinnen der BVB große Fortschritte mit sich. In der BVG wurden 1973 erstmals Frauen als Fahrerinnen von Bussen und Bahnen ausgebildet. Und bewiesen, dass Frauen den Beruf genauso gut ausüben können wie Männer. Die Presse war begeistert und so auch der damalige BVG-Direktor Joachim Piefke. Er lobte die Fahrerinnen und kommentierte, dass sie sich „hervorragend bewährt“ hätten. Zudem warb die BVG mit einer groß angelegten Werbekampagne in Westberlin Ende der 1960er-Jahre um neues Personal – sowohl männlich als weiblich. Die Kampagne war erfolgreich und zahlreiche Frauen wurden als Schaffnerinnen und Facharbeiterinnen ausgebildet.



Doch damit war die Gleichberechtigung in der BVG noch längst nicht geschafft. 1977 waren nur 50 Frauen als Busfahrerinnen bei der BVG unterwegs. Die neuen Mitarbeiterinnen mussten sich beispielsweise ihre gesundheitliche Eignung noch immer häufiger bescheinigen lassen als ihre männlichen Kollegen. Bis zu einer nennenswerten Gleichberechtigung war es also noch ein langer Weg, doch die ersten Schritte in die richtige Richtung waren gemacht.
Ausblick: The Future is Female!
Heutzutage sitzen fast 600 Busfahrerinnen am Steuer unserer BVG-Busse, was einer Frauenquote von fast 12 % entspricht. U-Bahnfahrerinnen machen hingegen 18,6 % des Fahrpersonals aus. Insgesamt arbeiten bei der BVG AöR 21,8 % Frauen. Eine deutliche Verbesserung zu der Quote der 70er, aber sicherlich ist weiterhin Luft nach oben. Doch dank des Frauenförderplans und Initiativen wie dem Frauennetzwerk soll die Zahl an BVGer*innen stets steigen. Der Weg in die Gleichberechtigung ist lang, aber wichtig.
Bildquelle: BVG-Archiv