Jede*r Zugezogene kennt es: Mit waschechten Berliner*innen über die Geschichte der Stadt zu diskutieren, kann müßig sein. In den meisten Fällen muss man sich aufgrund des fehlenden Ureinwohner*innen-Fachwissens geschlagen geben. Ab sofort nicht mehr. Denn was auch viele Berliner*innen nicht wissen: Es hat einen triftigen Grund, warum in Berlin die U-Bahnen nicht alle gleich aussehen und gefühlt auf manchen Linien zu viele und auf anderen zu wenig unterwegs sind.
Willkommen in der fabelhaften Welt des Groß- und Kleinprofils
Wenn wir von dem einen Berliner U-Bahnnetz sprechen, wissen wahrscheinlich die wenigsten von euch, dass sich in Berlin genau genommen zwei U-Bahnnetze durch den Untergrund schlängeln. Beide unterscheiden sich sowohl baulich, durch die Art der Züge, als auch durch das Fahrpersonal. Die zwei Netze bezeichnen wir als Kleinprofil und Großprofil. Wieso das so ist, was es mit den großen und kleinen Profilen auf sich hat, welche Linien dies betrifft und welche Auswirkungen das Ganze auf euren Fahrspaß hat, erfahrt ihr, wenn ihr weiterlest.
Wie so vieles bei der BVG, haben die unterschiedlichen Profile historische Gründe. 1902 schlug die Geburtsstunde der Berliner U-Bahn. Diese ist von Beginn an elektrisch unterwegs und somit schon immer ein Pionier der Elektromobilität. Sie war die erste U-Bahn in Deutschland.
Kleinprofil und Großprofil, stellt euch jetzt doch bitte mal vor
Klein aber oho. Das Kleinprofil, bestehend aus den Linien U1 bis U4, ist der älteste Teil des Berliner U-Bahnnetzes. Zum damaligen Zeitpunkt wurden die Tunnel schmaler und auch niedriger gebaut. Entsprechend sind die Kleinprofilzüge mit 2,30 – 2,40 m Breite daran angepasst. Die Züge des Kleinprofils können aus zwei bis acht Wagen bestehen und eine Geschwindigkeit von bis zu 60 km/h erreichen. Der größte Kleinprofilzug (Baureihe IK) kann 660 Fahrgäste befördern.
Das Großprofilnetz übernehmen die Linien U5 bis U9. Die zugehörigen Strecken wurden auf Grund des technischen Fortschritts und des großen Erfolges der U-Bahn ab den 1920er Jahren deutlich größer und leistungsfähiger gebaut. Entsprechend sind die Wagen für die „neueren“ Linien im Vergleich zu den Kleinprofilzügen mit ihren 2,65 m ein ganzes Stück breiter. Die Anzahl der Wagen pro Zug beläuft sich beim Großprofil auf zwei bis sechs. Er kann eine Geschwindigkeit von bis zu 70 km/h erreichen. Der größte aller Großprofilzüge (H-Zug) kann 750 Fahrgäste zu ihrem Ziel bringen.
ACHTUNG: Nerdiges Fachwissen
Die Spurweite, sprich der Abstand zwischen den beiden Fahrschienen, ist, mit 1435 mm in beiden Profilen gleich. Die Größenunterschiede betreffen das sogenannte Lichtraumprofil (Größe der Tunnel und Bauwerke). Ein weiterer Unterschied ist die Stromschiene, die die U-Bahn mit Fahrstrom versorgt. Im Kleinprofil ist sie oben offen und wird durch den Stromabnehmer am Zug von oben bestrichen. Im Großprofil ist sie oben geschlossen und wird von unten bestrichen. Zwar fährt die U-Bahn überall mit 750 Volt Spannung, jedoch ist die Strompolarität beider Profile unterschiedlich. Im Kleinprofil ist sie positiv und im Großprofil ist sie negativ.
Wir sind wieder zurück von unserer kleinen Nerd-Exkursion.
Zwischen Großprofil und Kleinprofil gibt es im gesamten U-Bahn-Netz nur zwei Verbindungsstellen. Beide werden hauptsächlich von Arbeitszügen zur Netzpflege, für Baumaßnahmen und für die Zuführung zur Hauptwerkstatt genutzt. Denn neben der „gelben“ U-Bahnflotte für unseren Fahrgastverkehr, gibt es auch noch eine „orangene“ Flotte mit unterschiedlichen Arbeitszügen, die jedoch meistens für unsere Fahrgäste unsichtbar bleiben. Diese sind auf dem gesamten Liniennetz unterwegs, um alles in Stand zu halten und zu überprüfen. Arbeitszüge sind besonders konzipiert, so dass sie sowohl das Kleinprofil als auch das Großprofil befahren können. Entsprechend können sie auch ihre Antriebsenergie auf unterschiedliche Weise beziehen. Bedeutet: Über zwei Stromabnehmer, Diesel, Akku oder Hybrid.
Together forever in die Zukunft (Oder auch: Fazit)
Das Berliner U-Bahnnetz, was ja wie wir nun wissen aus zwei U-Bahnnetzen besteht, muss mit seinen 155 Kilometer Linienlänge, 9 U-Bahnlinien, 175 Bahnhöfen und Millionen an Fahrgästen täglich eine ordentliche Leistung erbringen. Die zwei unterschiedlichen Profile unseres U-Bahnnetzes benötigen eine anspruchsvollere Planung als in anderen Städten. Und jetzt ab in die Diskussion mit euren Berliner Freund*innen.